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Der ermordete Bankier Gottes

Ein Mord an einem der einflussreichsten Bankiers Italien, der als Selbstmord getarnt wurde, um die dubiosen Geldgeschäfte des Vatikans und der Mafia zu vertuschen, ereignete sich im Juni 1982. Es war der 17. Juni 1982 als der Postbote Anthony Huntley einen dicklichen, kleinen Mann mit markantem Schnauzbart im noblen Anzug über der Themse an der Blackfriars Brücke in London baumeln sah. Der Mann entpuppte sich als der Italiener Roberto Calvi. Dieser war Direktor des Mailänder Geldinstituts Banco Ambrosiano, der als einer der mächtigsten Privatbänker der Welt galt. Die anschließende Autopsie der britischen Pathologen ergab, dass dieser Selbstmord begangen hatte. Roberto Calvi war am Erstickungstod beim Erhängen gestorben. Dieses Ergebnis bestätigten auch die Mailänder Pathologen. Einzig die Familie zweifelte die Selbstmordtheorie an, die sogar die Detektei Kroll Associates engagierte, um den Selbstmord zu untersuchen. Denn in Robertos Taschen wurde nicht nur ein gefälschter Pass auf den Namen Gian Roberto Calvini gefunden, sondern auch Bargeld in verschiedenen Währungen im Wert von mehreren Tausend Dollar sowie Ziegelsteine. Roberto war bereits am 11. Juni 1982 aus Italien mit gefälschten Pass und einer Aktentasche mit Dokumenten, von der jede Spur fehlte, abgereist. Er benutzte ein Motorboot, das ihn zunächst nach Jugoslawien und von dort nach Österreich brachte, wo er per Privatjet nach London flog. Immer an seiner Seite war sein Bodyguard Silvano Vittor, mit dem er gemeinsam in das heruntergekommene Apartmenthotel Chelsea Cloisters eincheckte, anstatt wie sonst sich ein Zimmer in einem Luxushotel zu mieten. Die plötzliche Abreise aus Italien sah nach einer Flucht aus. Besonders makaber kurz nach dem Tod von Roberto Calvi meldete die Banco Ambrosiano, die Calvi seit 1971 leitete, Konkurs an. Die Bankenpleite ist bis heute die größte in der italienischen Geschichte. Die Schulden betrugen über 1,3 Milliarden Dollar. Einen Tag vor Calvis Tod hatte der Verwaltungsrat mit der eingeleiteten Zwangsliquidierung begonnen. Es stellte sich heraus, dass ein Großteil des Geldes als Kredite an sogenannte Briefkastenfirmen auf den Bahamas und in Panama mit unbekanntem Empfänger ausgezahlt worden waren. Roberto Calvi war bereits 1981 wegen Devisenvergehens festgenommen und zu 2 Jahren Haft verurteilt worden, die auf Bewährung ausgesetzt worden war. Durch die Bankenpleite kamen Calvis illegale Geschäfte endlich ans Licht. Calvi, der aufgrund seiner Geschäfte mit dem Vatikan auch Bankier Gottes und dessen Geldinstitut als „Bank der Priester“ bezeichnet wurde, war eng mit dem Leiter der Vatikanbank IOR, dem Erzbischof Casimir Marcinkus, befreundet. Mit diesem betrieb er riskante Geschäfte in Italien und Lateinamerika. Doch Calvi pflegte auch enge Kontakte zur Mafia. Neben Devisengeschäften für den Vatikan, wusch dieser für die Mafia Geld. Unter der Leitung von Calvi wurde die Banco Ambrosiano zu einer Geldwaschanlage par excellence, die Briefkastenfirmen auf den Bahamas, Panama, Vaduz, Zürich und Luxemburg besaß. Calvi jonglierte täglich mit Millionen, die er hin- und herschob. Eine wichtige Rolle spielte dabei die Vatikanbank IOR, da diese ohne Auflagen das Geld einfach ins Ausland überweisen konnte. Es ist ein offenes Geheimnis, dass der polnische Papst Johannes Paul II. über diverse Briefkastenfirmen seinen Landsleuten über 80 Millionen Dollar zugeschoben hatte. Dadurch konnte die Solidarnsz-Bewegung in Polen unterstützt werden, die das Ende des Eisernen Vorhangs initiierte. Roberto Calvi wusste über alles Bescheid, wäre dies öffentlich geworden, dann wäre der Schaden für die katholische Kirche immens gewesen. Calvi hatte allmählich den Überblick verloren, der große Summen der Mafiagelder verspekuliert hatte. Vor seiner Flucht aus Mailand, hatte er über die ganzen zwielichtigen Geschäfte Beweise gesammelt, die er in seiner Aktentasche als Lebensversicherung mit sich führte. Calvi hatte durch die illegalen Kapitalexporte enorme Geldsummen bewegt, auf dessen Gehaltsliste Politiker standen, die er schmierte. Auch Medienkonzerne sollen Schmiergelder über Calvis Bank an italienische Politiker gezahlt haben. Der Skandal reichte vom Vatikan über die Mafia bis in die Hochfinanz. Calvi war zudem Mitglied des geheimen Freimaurer Verbandes „Loge Propaganda 2“, die halfen seine dubiosen Geschäfte zu vertuschen. Calvis einziger Freund, der 1981 versucht hatte, die Bank vor dem Konkurs zu retten, war der sardische Geschäftsmann Flavio Carboni. Dieser soll Calvi auch zur Flucht überredet haben, der heimlich alles organisiert hatte. Bevor Clavi aus Italien reiste, hatte er seiner Tochter gesagt, dass wenn er über alles auszupacken würde, dann würde im Vatikan kein Stein mehr auf dem anderen stehen. Tatsächlich erkannte am 1. Dezember 1988 das Mailänder Zivilgericht die Mordtheorie an, so dass die Lebensversicherung von Calvi an dessen Familie ausgezahlt wurde. Der Fall wurde von der britischen und italienischen Polizei neu untersucht. Anno 1998 wurde Calvis Leichnam exhumiert und mit der neusten Technologie erneut von Gerichtsmedizinern untersucht. Das Resultat war überraschend. Denn Calvi war eindeutig erdrosselt worden, vermutlich auf einem Müllplatz. Erst dann war er auf der Brücke aufgehängt worden. Dies belegten die Blutergüsse im Hirn sowie die Spuren an seinem Hals. Wenn Calvi tatsächlich Suizid begangen hätte, dann hätten sich Nylonfasern des Seils an seinen Händen befunden, als er die Schlinge um seinen Hals gelegt hatte. Doch es gab de facto keine. Im Herbst 2005 kam es in Rom zu einem Mordprozess. In diesem waren 5 Personen des Mordes an Roberto Calvi angeklagt. Diese waren der Mafia-Buchhalter Giuseppe „Pippo“ Calo, der sogenannte „Mafia-Kassierer“, der den Mord in Auftrag gegeben haben soll, die beiden Geschäftsmänner Ernesto Diotallevi und Flavio Carboni, dessen Ex-Freundin Manuela Kleinszig sowie Calvis Leibwächter Silvaro Vittor. Die Staatsanwaltschaft forderte für alle Beteiligten lebenslänglich. Doch aus Mangel an Beweisen endete der Prozess mit einem Freispruch. Die Aktentasche soll damals angeblich Flavio Carboni an sich genommen haben, deren brisanter Inhalt er an den Vatikan verkauft haben soll. Bis heute ist Roberto Calvis Mord ungesühnt, den sein Wissen sein Leben gekostet hatte.

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