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Der Massenmord der Sonnentempler-Sekte

Es war der 5. Oktober 1994 als Polizisten der Kantonspolizei Freiburg auf einem Bauernhof im Weiler Cheiry 23 Leichen fanden, die allesamt sternförmig angeordnet waren, weiße Gewänder trugen und über deren Köpfen graue Plastiksäcke steckten. Fast gleichzeitig entdeckten Feuerwehrleute in einem angebrannten Chalet in Granges-sur-Salvan 25 Leichen. Alle 48 Tote waren Mitglieder der Sekte der Sonnentempler. Zunächst gingen die Ermittler von einem Massensuizid aus, da vor Ort ein Abschiedsbrief mit den Worten „Wir verlassen die Erde ohne Bedauern“ gefunden wurde und sowohl Medien als auch Personen des öffentlichen Lebens Briefe mit den Glaubenssätzen der Sonnentempler erhalten hatten. Doch die anschließenden Obduktionen der Leichen ergaben, dass die meisten Opfer zuerst mit Betäubungsmitteln sediert und dann erschossen oder erstickt worden waren. Handelte es sich doch um einen Massenmord? Die Funde der Leichen sorgte weltweit für Schlagzeilen und machte die bis dato eher unbekannte Sekte über Nacht populär. Unter den Leichen befanden sich auch die beiden Gründungsmitglieder Joseph Di Mambro und Luc Jouret. Joseph Di Mambro erblickte am 19. August 1924 in Pont Saint-Esprit das Licht der Welt. Er selbst bezeichnete sich als „Boten aus dem Jenseits“, der nach einer Lehre als Uhrmacher und Goldschmied sich den geheimen Lehren und mystischen Praktiken zuwandte. Seine Mitgliedschaft im AMORC, Antiquus Mysticus Ordo Rosae Crucis, begann 1956 und beeinflusste ihn stark. Der AMORC bot ihm eine Plattform, auf der er seine Interessen vertiefen konnte, und ließ ihn in Berührung mit anderen esoterischen Strömungen kommen. Die Begegnung mit Jacques Breyer in den 1960er Jahren war entscheidend für Di Mambros Entwicklung. Breyer hatte versucht, einen modernen Templerorden ins Leben zu rufen, und diese Idee faszinierte Di Mambro. 1971 sah sich Di Mambro mit rechtlichen Problemen konfrontiert und musste nach Annemasse bei Genf übersiedeln. Dort gründete er ein spirituelles Zentrum auf einem Bauernhof. Danach rief er die Stiftung Golden Way ins Leben, wo er dem Belgier Luc Jouret begegnete. Dieser charismatische Arzt wurde das Aushängeschild der Sekte, um neue Mitglieder zu rekrutierten. Die Sekten-Anhänger lebten allesamt in Kommunen, die Beiträge und Spenden bezahlten. Davon finanzierten die beiden Gurus ihr luxuriöses Leben und kauften Immobilien in Frankreich, Kanada und der Schweiz. Der Name „Ordre du Temple Solaire“ wurde 1984 offiziell angenommen. In den späten 1980er Jahren erlebte die Gemeinschaft ihren Höhepunkt mit bis zu 600 Mitgliedern. Doch der Druck, die Vision eines Überlebens nach der Apokalypse aufrechtzuerhalten, führte zu Spannungen innerhalb der Gruppe. Finanzieller Druck, das Bedürfnis nach größerer Kontrolle und die Notwendigkeit, Geheimnisse zu wahren, machten die Führung misstrauisch und paranoid. Besonders als Di Mambro wegen verdächtiger Finanztransaktionen in den Fokus der Behörden geriet und in einem Sitz der Sekte in Kanada eine Razzia durchgeführt wurde, da Anhänger sich Waffen besorgt hatten. Seitdem entwickelten die beiden Obergurus einen Verfolgungswahn, der mit einem Weltuntergangs-Szenario einherging. Fortan wurde vom Aufbruch oder Transit gepredigt. Ein neues Leben sollte auf einem anderen Stern beginnen. Der andere Stern war Sirius, der 8,6 Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Die Vorstellung, dass man in eine höhere Dimension oder Welt übertreten könnte, wurde von Di Mambro und Jouret propagiert. Generalstabsmäßig wurde ein Plan für einen kollektiven „Transit“ inszeniert, der schließlich im Jahr 1994 zu einem der schrecklichsten Massenmorde in der Geschichte führte. Bereits am 4. Oktober 1994 gab es in Morin Heights in Kanada 5 Tote der Sonnentempler-Sekte. Nur einen Tag später gab es 48 Tote in den Westschweizer Dörfern in Cheiry und Salvan zu beklagen. Am 7. Oktober 1994 wurden in einem abgebrannten Chalet nördlich von Montreal weitere Leichen entdeckt, die ebenfalls dem Sonnentempler-Orden angehörten. Am 16. Dezember 1995 gab es 16 Leichen in Saint-Pierrre-de-Chérennes, ebenfalls alle Mitglieder der Sonnentempler-Sekte, die wieder sternförmig angeordnet waren. Ein großer Durchbruch gelang, als nach den ursprünglichen Selbstmorden Journalisten im Frühjahr 1996 Kassetten entdeckten, die Gespräche zwischen den Mitgliedern der Sekte festhielten. Diese Aufzeichnungen offenbarten die Manipulationen und den psychologischen Druck, dem die Mitglieder ausgesetzt waren, und förderten das Bild eines berüchtigten Kults, der auf seine eigene Weise eine Art Todesschlinge über sich gelegt hatte. Am 22. März 1997 wurden in Saint-Casimir in Quebec 5 Menschen sternförmig tot aufgefunden. Doch diesmal gab es 3 überlebende Teenager, die ihre Eltern davon überzeugen konnten, ihr Leben zu verschonen. Zwar waren die beiden Sektenführer tot, doch es gab noch den Schweizer Dirigenten Michel Tabachnik, der nach Di Mambro und Jouret, als dritter Mann ganz oben in der Hierarchie stand. Dieser wurde wegen „Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung mit dem Ziel der Begehung einer Straftat“ angeklagt. Der Prozess startete am 13. April 2001. Doch er wurde am Ende freigesprochen. Anno 2003 wurde der Fall von Alain Vuarnet, dessen Eltern Mitglieder der Sonnentempler-Sekte war, erneut aufgerollt, da er die Selbstmorde seiner Eltern als getarnte Morde deklarierte. Doch auch im zweiten Berufungsverfahren gegen Michel Tabachnik wurde dieser im Dezember 2006 im Zweifel für den Angeklagten freigesprochen. Die Geschichte der Sonnentempler ist nicht nur eine Geschichte über Glaubenssysteme, sondern auch über Macht, Vertrauen und den schmalen Grat zwischen Spiritualität und Verblendung. Sie zeigt die Gefahren auf, die mit charismatisch geführten Gruppen verbunden sind, und bietet einen eindrücklichen Blick auf die menschliche Psyche und die Suche nach Sinn in einer zunehmend komplexen Welt. Die dunklen Kapitel im Leben der Sonnentempler bleiben uns als warnendes Beispiel für die Schrecken, die aus blindem Glauben und manipulativer Macht hervorgehen können. Die Mysterien rund um die Selbstmorde des Ordens der Sonnentempler blieben ungeklärt. Auch dreißig Jahre nach den schrecklichen Ereignissen bleibt die Erinnerung an die kollektiven Selbstmorde des „Ordre du Temple Solaire“ ein Gedenken an das Versagen des menschlichen Glaubens an führende Figuren. Die Geschichte ist nicht nur eine Erzählung über spirituelle Manipulation, sondern auch über die Schattenseiten der Menschlichkeit, die in den dunkelsten Momenten ans Licht treten. Es ist ein Rätsel, das uns daran erinnert, wie weit Menschen gehen können, wenn sie in den Bann eines charismatischen – jedoch gefährlichen – Führers geraten. 

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