Der mysteriöse Zoo-Mord von Bad Ragaz im Heidiland

Im Jahr 2012 erschütterte ein grausames Verbrechen das beschauliche Dorf Bad Ragaz im Kanton St. Gallen in der Schweiz. Am Ruhetag des Zoos „Leopard“, der seit drei Jahrzehnten Teil des Kurorts war, ereignete sich ein Vorfall, der die Gemeinde in einen Zustand der Trauer und des Schocks versetzte. Der 46 Jahre alte Metzger Harry Lindner wurde tot im Keller des Zoos aufgefunden, wo er zur Untermiete wohnte. Die Sonne war kaum aufgegangen, als Mario Capol, der 65-jährige Besitzer des Zoos an diesem verhängnisvollen Morgen nach seinem Mieter suchte. Was er jedoch fand, ließ ihn erstarren. Es war die Leiche von Harry im dunklen Keller. Sofort wählte Mario Capol den Notruf, dessen 52 Jahre alte Ehefrau Barbara durch Marios Schrei sofort in den Keller gerannt war, wo sie die Leiche von Harry sah. Die Polizei traf kurz nach dem Anruf ein und sicherte den Tatort mit Absperrband. Der Geruch von frischem Mord hing in der Luft, während die Ermittler ihre Arbeit aufnahmen. Der Anblick von Harrys Leichnam ließ selbst das Blut der hart gesottenen Polizisten gefrieren, denn Harrys Hals und Kopf waren mit unzähligen Stichwunden übersät und seine Hände waren mit Klebeband gefesselt worden. Es stand fest, dass Harry am Abend gegen etwa 20 Uhr noch lebend gesehen worden war. Aber was war in den Stunden danach geschehen? Wer könnte so viel Hass für einen so beliebten Mann hegen? Denn für die Dorfbewohner war Harry kein Unbekannter, sondern ein beliebtes Mitglied der Dorfgemeinschaft, das im Fußballclub FC Bad Ragaz aktiv war. Die Rekonstruktion des Tathergangs ergab, dass Harry am Hauseingang angegriffen worden war, der sich daraufhin heftig gewehrt hatte. Doch Harrys Angreifer stach mit solcher Gewalt auf ihn ein, bis Harry schließlich zu Boden sank. Dann schleifte ihn sein Angreifer in den Keller und verließ den Tatort. Er ließ Harry lebend zurück, in der Annahme, dass dieser an seinen schweren Verletzungen ohne ärztliche Hilfe sterben würde, was tatsächlich auch geschah. Doch wer war nur zu solch einer abscheulichen Tat fähig? Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer und hinterließ eine schockierte Gemeinschaft. Die Einwohner von Bad Ragaz kannten Harry nicht nur als Metzger, sondern auch als Sportler und Familienvater. Sein Engagement im Fußballverein hatte ihm den Namen „Knipser“ eingebracht. Ein Spitzname, der seine Fähigkeiten als Torjäger gekonnt zusammenfasste. Harry lebte seit seiner Trennung von seiner Frau Anke im Haus von Mario und Barbara Capol, denen er in seiner Freizeit im Tierpark half. Denn Mario war krank und schaffte es nicht mehr alleine, alle Tiere zu versorgen. Die Ermittler konzentrierten sich auf Harrys letzte Stunden. Zeugen wurden befragt, und die Umgebung des Zoos wurde auf jegliche Hinweise untersucht. Fakt war, dass es keinerlei Einbruchsspuren gab, noch etwas gestohlen worden war. Schnell geriet der Sohn des Zoobetreibers ins Visier der Ermittler. Die Überwachungskamera hatte ihn gefilmt, wie er an jenem Abend den Zoo betreten hatte. Er hatte sich zwischen 23 und 23.30 Uhr dort aufgehalten und zwei Papageien gestohlen. Er gab an gegen Mitternacht, der Tatzeit zu Hause gewesen zu sein, was seine Freundin bestätigte. Bei der ersten Vernehmung leugnete er den Zoo seit einem Jahr nicht mehr betreten zu haben, was Fußabdrücke und die Aufnahmen der Überwachungskamera widerlegten. Er hatte aus “ brutalem Schiss“ gelogen, da er zur falschen Zeit am falschen Ort war. Außerdem hatte er verschwiegen, dass er einen Schlüssel des Zoo-Hauptgebäudes weggeworfen hatte, bevor er seinen Schlüsselbund der Polizei ausgehändigt hatte. Dies kam durch die Aussagen seiner damaligen Freundin ans Licht. Das Motiv sahen die Ermittler in dem guten Verhältnis von Mario zu Harry, der als neuer Pächter im Spiel war. Dafür war eigentlich einst Marios Sohn vorgesehen gewesen. Darüber hinaus soll Harry angeblich nach reichlich Alkoholkonsum einmal die damalige Freundin von Marios Sohn sexuell belästigt haben. Marios Sohn wurde in Untersuchungshaft genommen, doch die Staatsanwaltschaft stellte 2016 das Verfahren gegen ihn ein. Es fehlten eindeutige DNA-Spuren und Fingerabdrücke. Im Jahr 2019 gründeten Angehörige des Opfers und Leute aus der Region eine Interessengemeinschaft, um den ungelösten Mord an Harry endlich aufzuklären. Drei Jahre später rollte die Polizei den Zoo-Mord, wie er in den Medien genannt wurde, erneut auf. Die Polizei veröffentlichte Fotos der mutmaßlichen Tatwaffe einem Messer mit schwarz-gelben Griff und langer spitzer Klinge. Dieses Messer war damals in Tatortnähe gefunden worden, aber erst durch die verbesserten kriminaltechnischen Möglichkeiten konnte das Messer als Mordwaffe identifiziert werden. Die Polizei hoffte, durch die Veröffentlichung des Fotos neue Hinweise auf den Mörder von Harry zu erhalten. Doch bis heute konnte Harrys Mörder nicht gefasst werden. Der Schock darüber, dass jemand aus dem Dorf oder aus dem weiteren Umfeld dazu fähig war, einen Mord zu begehen, war kaum zu begreifen. Der Mord an Harry Lindner wurde zu einem „Cold Case“, dessen Fäden immer wieder zurück ins Dorf führten. Die Bewohner lebten mit der ständigen Ungewissheit, dass unter ihnen ein Mörder sein könnte. Es blieb die Frage, ob die Zeit die Wunden heilen oder die Wahrheit ans Licht bringen würde. Bad Ragaz, einst ein Ort des Friedens, war nun gezeichnet von einem Verbrechen, das keiner für möglich gehalten hätte. Auch Jahre später blieb die Erinnerung an Harry Lindner lebendig und die Hoffnung, dass Gerechtigkeit eines Tages doch noch eintreten würde